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Illuminated lettering in a Latin Bible of 1407AD on display in Malmesbury Abbey, Wiltshire, England. |
Bibel, hat von Jahrhundert zu Jahrhundert erstaunliche Veränderungen erlitten. Vor grauen Zeiten machten die beyden steinernen Gesetztafeln die ganze Bibel aus. Sie wurde in ein Kästchen aufgehoben, welches die jüdischen Priester allein ansehen und anrühren durften. Bisweilen durfte auch das Volk dieses Heiligthum ungestraft für sich hertragen sehen, welches die Wirkung hatte; Mauren und Thürme einstürzen zu machen, wenn die Priester unter Trompeten- und Pauckenschall damit um eine Stadt herumzogen, welche in Ermangelung des schweren Geschützes nur durch ein Wunderwerk erobert werden konnte. Bisweilen war dies Heiligthum denen heidnischen Völkern nicht so fürchterlich, es ließ sich selbst erobern und von den Phöniziern gefangen wegführen, welchen es erst alles gebrannte Herzeleid anthat, nachdem sie diesem vornehmen Gefangnen die Ehre erwiesen, ihn in ihrem Tempel einzuquartiren. Die Phönizier kamen indessen bey dieser Geschichte noch gut genug weg, indem sie bloß Schmerzen im Hintern, und einige Hemeroidalzufälle davon trugen, und während der Zeit, daß sie die Bundeslade bey sich hatten, eine Menge Mäuse durch ein wahres Wunderwerk sich das Korn auf ihren Feldern gut schmecken ließen. Aber das heilige Volk und die Verehrer der in der Bundeslade verwahrten Bibel, kamen übler an, indem die Leute bey Tausenden von dem ungefehren Anschauen dieses Heiligthums starben, wie denn auch den ehrlichen Usa augenblicklich der Schlag rührte, als der Wagen, worauf die Bibel transportirt wurde, umwerfen und er zugriff und halten wollte, ohngeachtet die Unbeschnittenen solche ungestraft hatten anfassen und aufladen dürfen. An dieser ursprünglichen Bibel, welche in den zehn Geboten bestand, und anstatt nach heutiger Manier eingebunden zu seyn, damals in eine schön gearbeiteter Kapsel aufgehoben wurde; war es eine Haupteigenschaft, daß sie Wunder that, unter ihren Verehrern den Tod wie die Pestilenz um sich her schleuderte, von ihren feindlichen Verächtern sich aber mehr als einmal rauben ließ, ohne ihnen Schaden zu thun.
Nach der Zeit wurde die Bibel auf mannigfaltige Weise vermehrt. Die Predigten und Bücher der Propheten wurden hinzugefügt und die Partikulairgeschichte des jüdischen Volks oder einzelner Personen derselben mit einverleibt. Das schöne Gesangbuch was unter der Regierung Davids von dessen Hofpoeten Assaph komponirt wurde, und welches man beym Tempeldienst gebrauchte, wurde dazu gerechnet. Die philosophischen Werke und das verliebte Brautlied von dem königlichen Verfasser Salomon vermehrten die Bibel; so wie zu hoffen steht; daß in der Folge die Bücher der Churfürsten von Brandenburg und der König von Preußen, desgleichen die herrlichen philosophischen Schriften des Nordischen Salomon zu Sanssouci, auch noch zu den kanonischen Büchern unserer Bibel werden gerechnet und dem Inhalt eine mistische Bedeutung wird beygelegt werden, um eine geheime Abbildung der Kirche daraus herzuleiten, als welches unsern Nachkommen eben so erbaulich werden kann wie uns, das schlüpfrige Hohelied Salomonis, sobald wir Talent genug haben alles im geistlichen Sinne zu fassen.
Auch das mit vielem Witz eingekleidete lehrreiche Romanchen vom Hiob, den der Teufel, nachdem er deshalb eine speziale Conzession aus der Staatskanzeley des Himmels ausgebracht, gar jämmerlich gemißhandelt hat, wurde für ein würdiges Stück der Bibel auf- und angenommen, gleichergestalt als die erbauliche Ehestandsfarce vom Tobias, bey dessen Heyrathsgeschäfte Himmel und Hölle in Bewegung geriethen, und der die ächte Wundergabe besaß an der Seite eines hübschen Mädchens seine Zeit mit Beten zuzubringen, welches denn doch bey alledem heute zu Tage manchem blutsauer werden dürfte. – Die fromme Heldengeschichte der Judith, die aus patriotischem Eifer und mit Anrufung göttlicher Hülfe alle Toilettenkünste anwandte, um den feindlichen Feldherrn in sich verliebt zu machen, ihn zum Beyschlaf zu reizen und ihm die Kehle abzuschneiden – auch die Künste des frommen Mardachai, welcher seine Pflegetochter Esther bey einem heidnischen Könige anbrachte, um – wie's noch jetzt bisweilen zu geschehen pflegt, sich durch diesen gemeinen Kanal zur Würde eines Staatsministers zu erheben, und letzlich die erbärmlichen Kriegsnachrichten von den Mackabäern – all dergleichen Schmiralien erhielten sich Jahrhunderte hindurch bey dem hohen Rang einer Bibel, oder des darunter verstandenen Buchs aller Bücher, welchem eine solche Vortreflichkeit beygelegt wurde, daß seine Ahnen und Abkunft – wie die Fabeln der Griechen aus dem Himmel selbst hergeleitet wurden.
Es muß unter den Juden eine gar klägliche Litteratur und Kritik geherrscht haben, um den meisten der obgedachten Autoren so viel Ansehn zu verschaffen, welches, das Davidische Gesangbuch ausgenommen, von unsern heutigen Rezensenten gar gräulich würden gemißhandelt werden, wenn sie jezt so unmoralisch und so abentheuerlich ans Licht treten sollten. Selbst die an sich richtigen Sittensprüche eines Salomon; eines Sirach und des Verfassers des Buchs der Weisheit, würden heute zu Tage kein Quartier mehr bekommen, wenn sie nicht mit mehr systematischer Ordnung zusammen kompillirt würden.
Ungefähr im zweyten Jahrhundert nach Christi Geburt erschien der zweyte Theil der Bibel mittelst etlicher achtzig Evangelien oder Lebensbeschreibungen von Jesu, welche aus der mündlichen Tradition seiner Schüler und deren weitern Erzählungen gesammlet waren, woraus die Kirchenlehrer viere erwählten, die uns überliefert worden sind, und die übrigen als unächt verwarfen. Diesen Erzählungen, die durch die dritte, vierte und fünfte Hand, oder durch noch mehrere Hände gegangen, und nach ein paar hundert Jahren doch wohl vor hinlänglich berichtiget gelten konnten, wurden die Ermahnungsbriefe, welche die Apostel an ihre neubekehrte Gemeinen geschrieben hatten, zugesetzt, von einem schwärmenden Priester die Apokalypse beygefügt und so ein zweyter Codex dem alten angehangen, welcher nunmehr nach den Aussprüchen der bewährtesten Kirchenversammlungen, die vollständige Bibel ausmachten.
Doktor Martin Luther war der erste, der nach etlichen Jahrhunderten diese Bibel in seine Betrachtung nahm, und gegen das Ansehen der Kirche des Pabstes und der Concilien dieses Heiligthum näher prüfte, feilte, und eine ziemliche Parthie von der Bibel, unter dem Titel apokryphischer Bücher in Abgang brachte.
Nach ihm forschten mehrere die Echtheit dieses Korans der Juden und Christen nach, ohne den Muth Luthers zu haben, und mehr Stücke abzuschneiden, bis endlich Semmler die Apokalypse rein kassirte und gegen andere Bücher und einzelne Stellen solche Bedenken vorbrachte, wodurch das übriggebliebene Ganze wenigstens aufhörte Bibel, oder ein unmittelbar eingegebenes Werk des heiligen Geistes zu seyn, gegen welchen in qualitate qua ein großer Theil Theologen, ohnedem schon vieles einzuwenden hat.
Die Bibel ist noch immer da, aber als Bibel hat sie nur insofern gegolten, als nach verschiedenen Einsichten die Theologen ihr eine weitere oder nähere Bestimmung gegeben haben. Sie sollte die Stütze der Theologie seyn, genau erwogen aber ist's die kunstmäßige Theologie, welche die Bibel unterstützt – sollte diese Wissenschaft und das Metier der Geistlichkeit einmal aufhören, so dürfte dieses verehrte Heiligthum der Kirchen, welches unter willkührlichen menschlichen Bestimmungen so vielen Veränderungen unterworfen gewesen ist, am Ende gar in Abgang kommen. Die verschiedenen Anwendungen dieses Buchs als Quelle so mannigfaltiger Systeme und Glaubenspunkte betrachtet, wird unter der Rubrik Religion näher in Erwägung gezogen werden.