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Dienstag, 6. Dezember 2011

Gottlieb Leon - Ister und Auripe

Ister und Auripe.

An dem blumigen Gestade der schnellrauschenden Donau, auf deren nassem Rücken dämmernde Hayne und elysische Auen schwim­men, begegneten sich an einem schönen Frühlingsabend Hylas und Mykon. Freundlich reichten sie einander die Hand, und grüßten sich.

Mykon, hub Hylas an, weil der Abend so schön ist, und wir eben zusammentreffen, so laß uns zu dem heiligen Felsen gehen, der dort sein kahles Haupt gen die Wolken emporhebt. Sieh, er wirft einen unermessenen Riesenschatten in’s fliessende Waizenfeld hinaus, und auf seiner Anhöhe kann man weit umher die Gegend im abendröthlichen Glanze übersehen.

Komm! laß uns unter das Hollundergesträuch uns setzen, das dort schattig über seinen Rücken herabhängt, und das die kühlen Zephyre lieblich durchsäuseln. Dort magst du mir das Lied von dem Gotte dieses Flusses singen, und ich will dir dafür diesen Stab hier schenken, den ich heute bey frühem Morgenstrahl am Wasser aus einer schlanken Haselnußstaude schnitt, und mit jungen Veilchen umkränzte.

Ja, ich will thun, was du begehrest, sprach Mykon lächelnd, und itzt giengen sie hin, und setzen sich, und Mykon sang:

Ister, der Gott dieses Flusses, liebte Auripen,1 die Nymphe eines Thales an dem anmuthigen Goldufer der Kremse. Einst, als sich der rosenfarbene Abend in dem ruhigen Silber der Donau spiegelte, und die Dryade eben an der Mündung der in die Donau sich stürzenden Kremse saß, klagte er ihr seine Liebe also:

Schön bist du Nymphe, schön wie ein jugendlicher Sommertag, wenn er aus silbernen Wolken auf glückliche Fluren und Hayne herablächelt. Schlank bist du, wie die Eiche, die du bewohnest. Dein Haar, das in seidenen Gold­locken über die runden Schultern herabrollet, schmückt ein lieblicher Eichenkranz wohl wohlriechenchender Blüthen. Dein wallender Busen, deine Hände und Schultern, die an Weisse den blendenden Schnee beschämen, sind entblößt. Aber ein wollüstiges weisses Gewand voll Falten wallet von der Brust an rund um dich herum und bis zur Erde herab, das den schönen Bau deiner Glieder zeigt, wenn muthwillige Wests flatternd mit demselben spielen.

Du bist so reizend, so schön: aber könntest du nicht auch so zärtlich seyn, wie du schön bist? mich lieben, so wie ich dich liebe? Auch ich bin schön, Nymphe, ich habe ein ernstes männliches Gesicht, das ein glänzender Silber­bart umkränzt, der zur Brust herunter fließt. Ein Schilfkranz umschlingt mein grünes Haupthaar, und statt der Füsse bin ich rings um den Leib mit langblättrigem Schilfrohr umwachsen.

Fürchte nicht diesen Dreyzack, den ich nur in der Rechten habe, um den Wellen zu gebieten, daß sie nicht das Ufer verschlingen, und tobend Wiesen, Aecker und Hayne mit sich fortschwemmen.

Sieh, alle die weiten Wasserfluren, die ganze Länder und Gegenden durchschneiden, gehören mein: auch habe ich in der Tiefe des Gewässers einen schönen gläsernen Pallast, der mit bunten und goldfärbigen Muscheln aus­geziert, hell und geräumig ist. O Nymphe, in diesem würdest du bey mir wohnen, und glücklich seyn. Glücklicher und ruhiger würdest du seyn, als in deiner Eiche, welche oft im flockenvollen Winter herbe Winde durchsausen, und das traurige Winterkleid von den nackten Stämmen herabschütteln: wo dich oft ein plötzlicher Jagdschuß im verlängerten Nachhall erschreckt, oder der rasche Schall eines nahen Waldhorns, oder ein wildschnaubender Spürhund, wenn er raubbegierig das scheue Wild durch die Büsche verfolgt. Alles dieses fürchtest du nicht in meiner Wohnung; denn ich befehle selbst den gehorchenden Wässern mit heiliger Ehrfurcht vorüber zu rauschen.

O wie unaussprechlich ist meine Liebe gegen dich! — Ach! stammelte der Wassergott, und wollte schon die träufelnden Arme gegen sie ausstrecken: allein sie floh, die Spröde, und verschloß sich in ihr Eichenhaus.

Seitdem kam der Flußgott oftmals zu der Eiche, und klagte ihr seine Leiden: aber sie war taub, und hörte ihn nicht: drum straften sie die Götter, und verwandelten sie in diesen Felsen, auf welchem die Hirten dieser Gegend noch jährlich dem Gotte des Flusses opfern.

Ich danke dir, Mykon, daß du mir das Lied so schön gesungen hast; mir war’s, da du sangst, als wenn sich der Fels regte, und ein heiliger Schauder fuhr mir durch die Brust. Dieß Lied mußt du mich auch lehren, sprach der Hirt, und gab ihm zum Lohn den blumigen Hirtenstab.

Indeß hatte sich das sterbende Abendroth hinter die fernen waldigen Gebirge verborgen; die sternenreiche Nacht breitete ihre bräunlichen Flügel auf die stille Gegend aus, und der lächelnde Mond hieng schon über schlummernde Wiesen und Thäler.
                                                                       

1 Der Name dieser Nymphe ist vermutlich eine Ableitung von aurea Ripa, (Goldufer) welchen Namen man nach Colles vor Zeiten dem Thal bey dem Kloster Imbach hinter Krems beylegte.

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