Unter allen höheren
Regungen und Bewegungen unserer Zeit erscheint mir, rein menschlich
betrachtet, als die schönste und interessanteste der Kampf unserer Schwestern
um Gleichstellung mit dem starken, dem herrschenden und unterdrückenden
Geschlecht; ja ich halte es für möglich, dass nicht etwa die sozialen und
wirtschaftlichen Dissidien der Männerwelt — zum Theil recht dumme Sachen — dem
kommenden Jahrhundert seinen eigenthümlichen Stempel aufdrücken werden,
sondern dass dieses Jahrhundert seine Weltsignatur recht eigentlich von der
Lösung der »Frauenfrage« erhalten wird.
Denn
was wir bisher davon erlebt, das war und ist nur erst Vorpostengefecht. Man
kann zwar nicht leugnen, dass unsere Schwestern schon manche Positionen
errungen haben, die früher uneinnehmbar schienen, und dass sie diese mit
grossem Geschick vertheidigen und befestigen, aber die eigentlichen »Sperrforts«
der Gleichberechtigung — denn sie wollen »uns« ja nicht verdrängen, sie
begehren nur Einlass! — diese Sperrforts sind noch ausschliesslich in den
Händen der Männer, und immer noch, wenn die muthige Schaar mit hellklingendem
Kriegsgeschrei neuen Ansturm wagt, ertönt ihr im tiefsten Basse das »Zurück«
der Thorwächter entgegen.
Im
tiefsten Basse wissenschaftlicher Ueberzeugungstreue! Dies »Zurück« klingt so
wahr und so bieder, und ist doch oft, ja zumeist nichts als
geschlechtsegoistische Ueberhebung, mit der wir seit Adams Zeiten unsere ach!
so lieben und ach! so unentbehrlichen Schwestern der Schlangenrolle zu verdächtigen
und zur Strafe dafür auch noch zu terrorisiren, mit Eifersucht zu quälen, zu haremisiren
und zu kemenatisiren gewohnt sind, immer unter dem heuchlerischen Vorwande der
ritterlichen Fürsorge. Als ob sie
was davon hätten, dass sie uns — wie wir so gerne singen himmlische Rosen in’s
irdische Leben flechten!
Da
ist denn das Sperrfort der Universität. Zum hundertsten Male wird den
wissensdurstigen Frauen von Einem im Talar gesagt: »Da habt Ihr nichts zu
suchen!« Und um dem Worte den rechten zeitgemässen Nachdruck zu geben, wird mit
wichtigthuendem Pathos hinzugefügt: »Wie solltet Ihr auch? Euer Gehirn
ist zu klein, um unsere Wissenschaft zu
fassen, — was Männer
erdachten, kann nur von Männern begriffen werden.
Das ist göttliche Ordnung[i]
— mulier taceat in ecclesia.«
Das
eben, liebe Schwestern, will ich heute zu Eurem Frommen an den Pranger stellen,
auf die Gefahr hin, als Verräther am Geheimniss »männlicher Wissenschaft« betrachtet
zu werden: Die ganze Lehre
von der Inferiorität des weiblichen Gehirns ist eine fromme Mär, ein wissenschaftliches
Quiproquo, das eben nur beweist, wie lange und hartnäckig Männer zu irren im
Stande sind. Diese Lehre beruht auf zwei falschen Voraussetzungen, nämlich erstens,
dass das Gewicht
des gesammten Gehirnes ganz direkt als Massstab für die Intelligenz zu nehmen
sei, und zweitens, dass es statthaft sei, mit statistischen
Durchschnitten
aus Massenbeobachtungen einer Frage auf den Leib zu rücken, in
welcher nur
mit individuellen Begabungen gerechnet werden darf.
Beginnen
wir mit dem zweiten Trugschluss, so ist es doch zunächst klar, dass auch unter
Denen vom starken Geschlecht gewiss nur ein mässiger Prozentsatz zu
wissenschaftlichen Studien und Berufsübungen befähigt ist. Dieser Satz ist
sogar ziemlich gering, er mag 5 bis 10 Prozent ausmachen, kaum mehr. Nehmen wir
nun an, bei den Weiblein seien es nur 2 bis 3, ja
nur 1 Prozent, — mit welchem Rechte will man dieser
Minderzahl die Betheiligung an den wissenschaftlichen Studien, die der Staat
ermöglicht, wehren? Lehrt nicht Jeden schon die persönliche Erfahrung, dass es
viele Frauen gibt, die an Intelligenz ihre männliche Umgebung weit überragen? Und ist nicht schon von
vielen Frauen der Beweis geliefert, dass sie
mit Erfolg der Erforschung und Verkündigung der Wahrheit zu dienen vermögen?
Was
aber das ominöse Gewicht des Gehirns anbelangt, so ist es ja richtig, dass im Grossen
und Ganzen das weibliche um ein paar Hundert Gramm leichter
ist als das männliche, was nicht ausschliesst, dass Millionen männlicher
Spatzengehirne von Millionen weiblichen Gehirnen auch an Gewicht weit
übertroffen werden. Aber die Hauptsache ist, dass nach den neuesten Forschungen
auf diesem Gebiete das Gesammtgewicht des Gehirns für die Beurtheilung der Intelligenz
überhaupt keine nennenswerthe Bedeutung hat. Solche Bedeutung kommt nur
verhältnissmässig kleinen Partien des Gehirns, vor Allem der »Grosshirnrinde« zu, und auch hier stehen
die dem höheren Denken dienenden Nervenkörper neben solchen, welche ganz direkt
die Sinneswerkzeuge und die Muskulatur im Zentralorgan vertreten. Die genaue
Unterscheidung aller dieser Elemente ist äusserst schwierig und erst im Werden
begriffen. Das Gesammtgewicht des Gehirns
aber steht normaler Weise viel eher zur Körpergrösse, zur leiblichen Entwicklung
und
Kraft, als zur Intelligenz im Verhältniss. Das Riesengehirn eines Bismarck
erklärt sich zum grössten Theile aus der ganzen wuchtigen Persönlichkeit des
ungewöhnlich grossen und starken Mannes; dass darin die Denkzentren einen verhältnissmässig
grossen Raum einnehmen, ist zweifellos. Im Uebrigen kann auch ein grosser
dummer Kerl ein sehr schweres und grosses, ein zartes und gescheidtes Männlein
ein sehr kleines Gehirn besitzen, und genau so verhält es sich bei unseren
Schwestern. Da die meisten unter diesen von kleinerer Statur und weniger
raubthierartig beschaffen sind, als die Männer, so haben auch die meisten ein
leichteres Gehirn, — nicht weil sie dümmer sind, als die Männer!
Jene
Gehirnpartien aber, welche speziell der Intelligenz als Grundlage dienen, sind
in ihrer Ausbreitung nicht blos das Produkt der Erbanlage, sondern auch der
Uebung und der durch diese bedingten spezifischen Ernährung. Man verstatte dem
zu höherer geistiger Thätigkeit veranlagten Frauenhirn die rechtzeitige Uebung und die stolzen
Thorwächter der Sperrforts werden sich wundern, wie viele geschickte
Kolleginnen sich ihnen an die Seite stellen werden.
Was
der Mann trotzdem im Allgemeinen in fast allen geistigen Thätigkeiten vor der
Frau voraus hat und wohl immer voraus haben wird, das beruht in der stärkeren
Angriffsfähigkeit, welche ihrerseits wesentlich von geschlechtlichen
Verhältnissen abhängt, — von jenen Verhältnissen, aus denen sich u. a. auch
unsere Stimme zum Bass entwickelt, und welche jenen Brustton der Ueberzeugung
zeitigen, der so oft nur leerer Schall ist. Ueberall wo raubthierartige
Energie, rohe Kraft, Leidenschaft, Brüllen etc. am Platze sind, da wird der
Mann der Frau stets überlegen bleiben; er ist kühner und verwegener in allen
Dingen, auch im Denken und Phantasiren. Dafür ist die Frau feiner, geduldiger,
sorglicher, mitleidsvoller. Wenn sie nicht alle physischen und die meisten
moralischen Lasten der Fortpflanzung zu tragen hätte — wer weiss, ob sie nicht
längst unsere gefährliche Rivalin auch im staatlichen Leben wäre!
Wer
aber meint, dass das »hysteroïde Denken« (wie ich ganz allgemein das
sprunghafte und durchlöcherte Denken nennen möchte) ein trauriges Vorrecht
unserer lieben Schwestern sei, der ist gewaltig im Irrthum. Wir müssten denn, —
wollten wir gewisse Unzulänglichkeiten in Bau, Ernährung und Verknüpfung der
Denkzellen als »weibliches Prinzip« bezeichnen, uns zu dem ungeheuerlichen,
aber tiefsinnigen Satze versteigen: »Es gibt unter den Männern mehr Weiber,
als unter den Weibern Männer.« Ist doch die Geschichte menschlicher Grausamkeit
und Zerstörungswuth, menschlichen Irrthums und Aberglaubens im Wesentlichen nur
eine Geschichte männlicher
Geistesumnachtung!
Also,
verehrte liebe Schwestern, vertrauen Sie getrost dem göttlichen Funken, mit dem
auch Ihr Gehirn geladen ist; aber vergessen Sie nicht, dass die Lehre »von dem
Rechte, das mit uns geboren», in der männlichen Rechtsphilosophie niemals für
die Frau gegolten hat. Was Sie in der Gleichberechtigung mit uns Männern auf
den Gebieten geistigen Schaffens erreichen werden, werden Sie uns abtrotzen müssen in heissem
Kampfe und unter Anwendung aller erdenklichen Kriegslisten. Und darin sind Sie
uns ja überlegen, — wenn Sie wollen.