Else Lasker-Schüler - Ich
tanze in der Moschee
Du musst mich drei Tage nach
der Regenzeit besuchen, dann ist der Nil zurückgetreten und grosse Blumen
leuchten in meinen Gärten und auch ich steige aus der Erde und atme. Eine
sternenjährige Mumie bin ich und tanze in der Zeit der Fluren. Feierlich steht mein
Auge und prophetisch hebt sich mein Arm, und über die Stirne zieht der Tanz
eine schmale Flamme und sie erblasst und rötet sich wieder von der Unterlippe
bis zum Kinn. Und die vielen bunten Perlen klingen um meinen Hals . . . . . .
o, machmêde macheï . . . . . . hier steht noch der Schein meines Fusses, meine
Schultern zucken leise — machmêde macheï, immer wiegen meine Lenden meinen
Leib, wie einen dunkelgoldenen Stern. Derwi, Derwisch, ein Stern ist mein Leib!
. . . . Machmêde macheï meine Lippen schmerzen nicht mehr . . . rausche — süss
tröpfelt mein Blut und meine Schultern beben Düfte und immer träumender hebt
sich mein Finger — geheimnisvoll, wie der Stengel der Allahblume. Machmêde
macheï fächelt mein Antlitz hin und her — streckt sich viperschnell und in den
Steinring meines Ohres verfängt sich mein Tanz. Machmêde macheï, machmêde machmêde
. . . . . . .
Aus: Der Sturm, Halbmonatsschrift für Kultur und die Künste, Jahrgang 1911, 25. Februar 1911, Hannover