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Gilbert Holiday - Pferderennen in Goodwood |
»Sie hat kein Gefühl für den Schmerz,« sagten die Frauen und fügten neidlos hinzu, »sie ist aber zu schön, — sie kann es nicht.«
Niemand hat sie jemals anders als heiter, stolz und triumphierend gesehen, niemand — und doch — — —. Es war ein Nichts, eine kleine, unbedeutende Laune, die der Zufall sich einmal mit seinem verwöhntesten Liebling gestattete. Und dieses Nichts vollbrachte mit einem jähen Schlage das, was die verwegensten Huldigungen und die niedrigsten Schmähungen in dem schönen, hochmütigen Gesichte niemals vermocht hatten.« — Und das kam so:
Das erste Pferdrennen hatte ganz Rom vor die Thore gelockt. Ueber Lauras Haupte wölbte sich ein purpurner Baldachin, und sie saß in helle Frühlingfarben gekleidet in einem hochlehnigen, venezianischen Sessel, der mit Maiglöckchen förmlich übelschüttet war. Der Federhut wallte, die roten Locken wirbelten im Winde und sandten eine Wolke von Duft empor. Sie blickte lachenden Auges in die weiße, weite Rennbahn hinaus.
In diesem Augenblick glitt ein kleines, vierjähriges Mädchen geschickt und listig von dem mütterlichen Schoße herunter, — es machte einen Schritt vorwärts und starrte voll jähen Staunens in das schöne, strahlende Gesicht. Dann wandte sich die Kleine um und sah ihre Mutter an, die im schlichten, schwarzen Kleide freundlich verloren vor sich hinträumte. — Und jetzt wanderten die Blicke hin und her, prüfend, wägend, voll grenzenlosen, rätselhaften Staunens, die runden Blauaugen wurden größer, und etwas wie ein Fragen, Suchen und Nichtverstehen lag in den forschenden Kinderzügen.
Und auf einmal drehte sie sich um, trippelte mit kleinen, unsicheren Schritten zur Tribüne hin, wo Laura saß, blieb stehen und sah empor.
Ein kokettes Lächeln schürzte die roten Lippen, Laura wies hinab und sagte heiter: »Sieh doch, — wie putzig . . . Wie heißt du denn? fragte sie dann mit ihrer weichen, klingenden Stimme und beugte sich zu der Kleinen nieder, die noch immer in stummem Erstaunen emporstarrte.
Aber was Tausende entzückt und begeistert hätte, das ließ das Kinderherz ungerührt. Die Kleine trat einen Schritt zurück und fragte plötzlich kalt und mißtrauisch: »Du — bist Du denn auch eine — Mama?« — Und in diesem Augenblick geschah es. —
Laura Farina verstummte, sie sank einen kurzen Augenblick in sich zusammen, — dann schlug eine flammende Röte in ihr Gesicht, und zum erstenmal sah hinter der göttlichen Maske das menschliche Elend hervor.
Aber die kleine Richterin wandte sich um und trippelte eilig und ängstlich zur Mutter zurück.