Kyau-Haku-Sai - Die Erzählungen des Alten.
Die Erzählungen des Alten.
Erzählung von Kyau-Haku-Sai.
Aus dem japanischen von Paul Enderling
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig,1905
Erzählung von Kyau-Haku-Sai.
Aus dem japanischen von Paul Enderling
Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart und Leipzig,1905
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Bearbeitet von Hans-Jürgen Horn
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I. Von den verzauberten Füchsen.
Der Alte sprach: »Ja Regennächten bleibt man gern zu Hause; denn man kennt zuviel Geschichten von den Füchsen die sich zu solcher Stunde in den Ebenen des Nordens in verzauberter Gestalt zusammenfinden, um die Menschen zu verführen. Sie verwandeln sich in liebliche Gaishas oder schöngewandete Tänzerinnen und locken sie zu den Orten der Freude.
In diesen Gegenden gab es einmal einen großen Gelehrten, der in solch einer Regennacht mit fünf oder sechs Schülern zusammensaß und ihnen sagte: »Wenn ihr jetzt in die Felder geht, werden euch sicherlich in Tänzerinnen verwandelte Füchse begegnen.«
»Meister!« sagten die Schüler darauf, »du hast ans doch immer gelehrt, dass der Weise die Gefahr nicht vorwitzig aufsucht. Wie sollten wir jetzt dieses tun?«
»O, ihr Toren!« sprach der Gelehrte lächelnd. »Wenn ihr dorthin geht, wißt ihr doch, dass die Füchse nur Füchse sind und seid nur furchtsam, weil ihr nicht wißt, welche Schlinge euch gelegt ist. Die Füchse bleiben Tiere, kennen nicht der Menschen innerstes Wesen und können ihnen also doch auch nicht sonderlich gefährlich werden.
Weit schlimmer sind die wirklichen Gaishas, die das Menschenherz kennen und tausenderlei verführerische Mittel anwenden, um den Mann zu umgarnen. Ist es da nicht weit gefährlicher, wenn Menschen wie ihr gedankenlos und lachenden Auges diesem furchtbaren Zauber gegenübertreten und wiederum vor jenen Füchsen sich ängstigen, die doch eigentlich so harmlos sind ?«
Da erröteten die Schüler und gelobten, fortan nur noch ihren Studien zu leben.
Ein altes Sprichwort sagt: »Das Böse kommt nicht vom Himmel, sondern vom Weibe.«
II. Des Oheims Rat.
Ein Jüngling aus vornehmer Familie lebte nur den Vergnügungen und warf sein Geld mit beiden Händen fort, als wenn er es gefunden hatte. Auf die Bitten und Ermahnungen seiner Eltern und Freunde hörte er nur mit halbem Ohr und ging den alten Weg weiter.
Sein Oheim, ein lebenskundiger Mann, bat ihn eines Tage zu sich und zeigte ihm nach längerem Plaudern ein Lackkästchen, worauf »Sparbüchse« stand.
»Im Buch der Blumen las ich von einem Mann, der jedesmal, wenn er im Begriff war, 100 Unzen auszugeben, nur 80 ausgab und die übrigen 20 in die Sparbüchse tat; bei 200 gab er nur 160 aus und legte 40 zurück usw., so daß er also zwei Zehntel seiner Ausgaben ersparte und allmählich wohlhabend wurde.
Tue du nun desgleichen! Lege 20 Unzen von 100, die du dem Vergnügen widmen wolltest, in dies Kastchenl Dann wirst du bald Freude am Sparen haben und gern auf manch Vergnügen verzichten.«
Mit diesen Worten gab er ihm die Sparbüchse.
Der Neffe dankte und versprach, dem weisen Rat zu folgen.
Nach etwa vierzig Tagen ein ein alter Diener betrübt zum Oheim und erzählte, daß der Jüngling seit jener Unterredung weit verschwenderischer als früher lebe und jetzt vor dem Nichts stünde. Am selben Abend noch rief er ihn zu sich und fragte zornig, warum er sich trotz seiner Versprechungen nicht gebessert hätte.
»Ich habe deinen Rat getreulich befolgt, lieber Oheim« —- bekam er zur Antwort. »Denn es macht wirklich Vergnügen, das Geld im Kasten sich vermehren zu sehen. Ich habe stets zwei Zehntel meiner Ausgaben dem Kästchen abgegeben: so habe ich vorgestern von 100 Unzen 20, gestern von 500, die ich dem Vergnügen zu opfern gedachte, 100 und heute von 300 volle 60 Unzen erspart.
Diese Ersparnisse, die ich so nach und nach machte, konnte man aber doch keine ordentliche Summe nennen. Da dachte ich mir: Besuche bis zum Frühling eifriger als vorher die Orte des Vergnügens, Tag und Nacht, und lege immer zwei Zehntel deiner Ausgaben zurück, dann wird das Kästchen bald gefüllt sein!!
So tat ich auch und bin also mit Eifer deinem Rate gefolgt. Zürne mir also, bitte, nicht!« . . .
Ein altes Sprichwort sagt: »Die beste Arznei wird in der Hand des Pfuschers zu Gift.«
Der Alte sprach: »Ja Regennächten bleibt man gern zu Hause; denn man kennt zuviel Geschichten von den Füchsen die sich zu solcher Stunde in den Ebenen des Nordens in verzauberter Gestalt zusammenfinden, um die Menschen zu verführen. Sie verwandeln sich in liebliche Gaishas oder schöngewandete Tänzerinnen und locken sie zu den Orten der Freude.
In diesen Gegenden gab es einmal einen großen Gelehrten, der in solch einer Regennacht mit fünf oder sechs Schülern zusammensaß und ihnen sagte: »Wenn ihr jetzt in die Felder geht, werden euch sicherlich in Tänzerinnen verwandelte Füchse begegnen.«
»Meister!« sagten die Schüler darauf, »du hast ans doch immer gelehrt, dass der Weise die Gefahr nicht vorwitzig aufsucht. Wie sollten wir jetzt dieses tun?«
»O, ihr Toren!« sprach der Gelehrte lächelnd. »Wenn ihr dorthin geht, wißt ihr doch, dass die Füchse nur Füchse sind und seid nur furchtsam, weil ihr nicht wißt, welche Schlinge euch gelegt ist. Die Füchse bleiben Tiere, kennen nicht der Menschen innerstes Wesen und können ihnen also doch auch nicht sonderlich gefährlich werden.
Weit schlimmer sind die wirklichen Gaishas, die das Menschenherz kennen und tausenderlei verführerische Mittel anwenden, um den Mann zu umgarnen. Ist es da nicht weit gefährlicher, wenn Menschen wie ihr gedankenlos und lachenden Auges diesem furchtbaren Zauber gegenübertreten und wiederum vor jenen Füchsen sich ängstigen, die doch eigentlich so harmlos sind ?«
Da erröteten die Schüler und gelobten, fortan nur noch ihren Studien zu leben.
Ein altes Sprichwort sagt: »Das Böse kommt nicht vom Himmel, sondern vom Weibe.«
II. Des Oheims Rat.
Ein Jüngling aus vornehmer Familie lebte nur den Vergnügungen und warf sein Geld mit beiden Händen fort, als wenn er es gefunden hatte. Auf die Bitten und Ermahnungen seiner Eltern und Freunde hörte er nur mit halbem Ohr und ging den alten Weg weiter.
Sein Oheim, ein lebenskundiger Mann, bat ihn eines Tage zu sich und zeigte ihm nach längerem Plaudern ein Lackkästchen, worauf »Sparbüchse« stand.
»Im Buch der Blumen las ich von einem Mann, der jedesmal, wenn er im Begriff war, 100 Unzen auszugeben, nur 80 ausgab und die übrigen 20 in die Sparbüchse tat; bei 200 gab er nur 160 aus und legte 40 zurück usw., so daß er also zwei Zehntel seiner Ausgaben ersparte und allmählich wohlhabend wurde.
Tue du nun desgleichen! Lege 20 Unzen von 100, die du dem Vergnügen widmen wolltest, in dies Kastchenl Dann wirst du bald Freude am Sparen haben und gern auf manch Vergnügen verzichten.«
Mit diesen Worten gab er ihm die Sparbüchse.
Der Neffe dankte und versprach, dem weisen Rat zu folgen.
Nach etwa vierzig Tagen ein ein alter Diener betrübt zum Oheim und erzählte, daß der Jüngling seit jener Unterredung weit verschwenderischer als früher lebe und jetzt vor dem Nichts stünde. Am selben Abend noch rief er ihn zu sich und fragte zornig, warum er sich trotz seiner Versprechungen nicht gebessert hätte.
»Ich habe deinen Rat getreulich befolgt, lieber Oheim« —- bekam er zur Antwort. »Denn es macht wirklich Vergnügen, das Geld im Kasten sich vermehren zu sehen. Ich habe stets zwei Zehntel meiner Ausgaben dem Kästchen abgegeben: so habe ich vorgestern von 100 Unzen 20, gestern von 500, die ich dem Vergnügen zu opfern gedachte, 100 und heute von 300 volle 60 Unzen erspart.
Diese Ersparnisse, die ich so nach und nach machte, konnte man aber doch keine ordentliche Summe nennen. Da dachte ich mir: Besuche bis zum Frühling eifriger als vorher die Orte des Vergnügens, Tag und Nacht, und lege immer zwei Zehntel deiner Ausgaben zurück, dann wird das Kästchen bald gefüllt sein!!
So tat ich auch und bin also mit Eifer deinem Rate gefolgt. Zürne mir also, bitte, nicht!« . . .
Ein altes Sprichwort sagt: »Die beste Arznei wird in der Hand des Pfuschers zu Gift.«
III. Der Jüngling und die Geisha.
Ein Jüngling lag so tief im Bann einer Geisha, daß er ihrem Herrn, dem Teehausbesitzer, eine reichliche Entschädigung zahlen und sie heiraten wollte.
Als sie das erfuhr, sagte sie: »Wenn ihr gestattet, erzähle ich euch eine Geschichte.
Ein Bonze, der sich eine Hütte am steilen Flußufer errichtet hatte, ging an einem wundervollen Frühlingstage in das Gebirge. Das Herz wurde ihm weit, als er einen blühenden Kirschbaum sah und er sagte sich: »Ich will einen solchen in meinen Garten setzen, damit ich mich am Morgen und Abend daran erfreuen kann: denn etwas Schöneres gibt es hinieden nicht.«
Er mietete Arbeiter und ließ einen Kirschbaum in seinen Garten verpflanzen und erlabte sich an seinem Anblick.
Aber eines Nachts kam der Sturm, verfing sich in den Zweigen und warf den Baum auf die Hütte, die zusammenbrach.
Da sagten alle Nachbarn: »Hätte dieser nutzlose Kirschbaum nicht hier gestanden, so wäre die festgefügte Hütte nicht eingefallen.« Sie schalten ihn und dachten in ihrer Einfalt nicht daran, daß die meiste Schuld am Unglück der Bonze hatte, der ihn dorthin verpflanzt, und dann der Sturm, der ihn umgerissen!
Nun seht: ihr seid die Hütte des Bonzen, ich bin der Kirschbaum. Wenn ihr durch diesen voreiligen Entschluß zur Heirat zu Falle kommt, werden alle mich schelten, wie sie den Baum gescholten haben . . . Sie würden sagen — das weiß ich gewiß —, daß eine Geisha euch ruiniert hätte, und auf mich würde sich der Regen ihrer Vorwürfe ergießen.
Wenn ihr mich jetzt hier loskauft, so wäret ihr dem vergleichbar, der, ein Licht in der Hand, gegen den Wind wandert: wir würden beide bald im Dunkel stehen! Wartet also noch ein Jahr! Verwaltet inzwischen sorgsam euer Vermögen, und wenn ihr mich dann noch in euren Garten pflanzen wollt, will ich euch allezeit dafür dankbar sein.«
Den Jüngling rührten ihre Worte tief, und seine Augen füllten sich mit Tränen.
Er folgte ihren Worten, kehrte zu seiner Familie zurück und lebte ein Jahr in Sparsamkeit und Ordnung, so daß er die Geliebte leicht ihrem Herrn ablaufen und sie heiraten konnte. Sie lebten in Eintracht und der Glücksstern stand über ihnen.«
Als der Alte diese Geschichte erzählt hatte, fügte er hinzu: »Es geht nichts über die Aufrichtigkeit und Gutherzigkeit dieser einfachen Geisha und die Besonnenheit, mit der der Jüngling ihren Rat befolgte.
Aber — ich glaube, so etwas gab es nur in den alten Zeiten« . . . «