Tod dem Bourgeois!
Er hockt herum, schwersäßig, angefressen, stumpf, ein Erdklumpen, jedes Aufschwungs unfähig, kleinlich bis in die letzte Faser seines Ichs, von einer niederträchtigen Roheit, die nichts vom Gewaltigen des großen Verbrechens an sich hat. Und er ist der Herr der Welt. Er hat unserer Welt sein Gepräge gegeben, ihr seinen Stempel aufgedrückt. Seine gemeine Niedertracht erfüllt die Adern der Welt, der Gestank seines Wesens verpestet die Luft.
Wie ist das nur möglich geworden, wie vermochte dieser unfähige Menschentypus die Macht an sich zu reißen, wie kommt es, daß dieser Erdgebundene immer wieder den Geistigen besiegt?
Es ist eine alte Geschichte: nicht der Feind außerhalb der Festung ist zu fürchten, sondern dessen geheimer Bundesgenosse innerhalb der Festungsmauern. Und dies erklärt auch das Rätsel der Bourgeoismacht.
Allüberall hat der Bourgeois Bundesgenossen. Im geistig freiesten Menschen kauert in den verborgensten Falten der Seele ein Stück Bourgeois, das dem Bourgeois dort draußen Dienste leistet, den Kämpfer lähmt, unter gewissen Umständen übermächtig zu werden vermag, alles andere überwältigend und ertötend.
Unter dem Mantel menschlicher Schwächen verbirgt sich der gefährliche Feind: irgend ein kleines Vorurteil, vom Elternhause übernommen, eine ästhetische Scheu, körperliche Trägheit, der Hang zum körperlichen Wohlleben dienen ihm als Schlupfwinkel.
Diese Schwächen sind es, die zu Kompromissen verleiten, und bei jedem Kompromiß erstarkt der Bourgeois in des Menschen Seele, reißt ihn näher an den äußeren Feind, zieht unsichtbare Fäden zu ihm hinüber, bis sich ein Band gebildet hat, das nur höchste Energie wieder zerreißen kann.
Wie sollten wir etwas zu bekämpfen vermögen, dem wir selbst angehören, etwas erbarmungslos auszurotten vermögen, dem wir heimlich verwandt sind?
Gewiß, es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die dies angestrebt und auch erreicht haben. Was Meister Ekkehardt und Thomas a Kempis im sogenannten dunkelsten Mittelalter predigten, was sie Vereinigung der Seele mit Gott nannten, was war es anderes als die Losung: Los vom Bourgeois, Befreiung des Geistes von den Schlacken der Erdgebundenheit, Aufgehen in einem Ideal!
Und als der Gottesbegriff sich wandelte, an seine Stelle die Menschheit trat, erstanden in Rußland, dem Lande der religiösen Vergeistigung, die Heiligen der Revolution, welche bewußt oder unbewußt erkannten, erst gelte es den Bourgeois in der eigenen Seele zu töten, bevor man gegen die äußeren Feinde zu Felde ziehen könne.
Was ist der Bourgeois, wenn wir ihn seiner heimlichen Bundesgenossen berauben? Eine isolierte Schicht, zum Aussterben verdammt, wie alle Dinge, die des Ewigkeitswertes ermangeln. Nehmt dem morschen Haus die Pfosten, die es stützen: beim ersten Sturm wird es in sich selbst zusammenbrechen.
Darum: Tod und Vernichtung dem Bourgeois! Vor allem aber dem Bourgeois in uns selbst, dem gefährlichsten Helfershelfer des anderen!
Hermynia Zur Mühlen